Was ist eigentlich eine Norm? Wer legt die fest? Muss ich mich daran halten? Was, wenn nicht? Im No(rm)vember dreht sich alles um Normen für das Barrierefreie Bauen. In Teil 1 erhältst Du Antworten auf diese Einstiegsfragen.
Eigentlich ist es doch faszinierend: fast alle in Deutschland haben schon von Normen gehört, kennen und nutzen sie mitunter täglich und wissen doch wenig darüber Bescheid. Dass A4-Blätter immer gleich groß sind, ist Dir bekannt – sie sind immerhin genormt. Und dass eine Woche sieben Tage hat, ist Dir sicher auch geläufig – das ist übrigens auch genormt und steht in DIN ISO 8601. Dieses kleine ISO sagt übrigens, dass es sich um eine internationale Norm handelt. Aber fangen wir mal von vorn an…
Was ist eine Norm?
Wie sollte ich diese Frage anders beantworten als mit einem Blick in die entsprechende Norm? In der DIN EN 45020 „Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten“ steht:
Eine Norm ist ein Dokument, das mit Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde. Es legt für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für Tätigkeiten oder deren Ergebnisse fest.
Nun haben wir aktuell ja den No(rm)vember und bis Weihnachten ist es gar nicht mehr so lang hin. Denk mal an das Schmücken des Weihnachtsbaums bei Dir zu Hause. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es da seit Jahren ungeschriebene Gesetze, welcher Schritt wann ansteht: Lichterkette zuerst, dann Kugeln, Spitze als Allerletztes war das bei uns früher. Okay, als Vorletztes gab es noch lange Lametta, aber diese ungeschriebene Regel fiel irgendwann und es gab keines mehr – früher war eben mehr Lametta 😉
Wer legt die fest?
Wenn eine Familie das für sich aufschreiben würde, wäre das schon fast eine Norm. Es fehlt lediglich die Annahme durch eine anerkannte Institution. Das könnte zum Beispiel die Oma sein, die jedes Jahr mit Adleraugen auf den korrekten Ablauf des Weihnachtsbaumschmückens achtet.
Falls es irgendwann mal Streitigkeiten geben sollte, kann man einfach in die Weihnachtsbaumschmücknorm gucken und schon findet man die Antwort. Oder passt die Norm eben an, wie beim Lametta.
In Deutschland ist diese Institution der DIN e.V. als nationale Normungsorganisation. Hinzu kommen noch das Europäische Komitee CEN sowie die Internationale Organisation für Normung ISO. In der Elektrotechnik gibt es noch mal andere, aber die sollen hier in dieser Episode keine Rolle spielen.
Muss ich mich an Normen halten?
Kurz und knapp: nein. Jedenfalls nicht grundsätzlich.
Das ist wohl die wichtigste Frage im Zusammenhang mit Normen. Gleichzeitig ist das auch der Punkt, an dem viele Falschannahmen bestehen. Im Allgemeinen sind Normen freiwillig und mitnichten vorgeschrieben. Verbindlich werden sie erst, wenn sie vertraglich vereinbart oder gesetzlich vorgeschrieben werden.
Am einfachsten lässt sich das vielleicht mit der neuen Europäischen Norm für Barrierefreies Bauen klären. Diese wurde im Sommer 2021 veröffentlicht. Sie gilt jetzt also. Damit muss aber nicht automatisch jedes neue Bauvorhaben nach dieser neuen Norm umgesetzt werden.
In den deutschen Bundesländern ist für Barrierefreies Bauen bisher nur die Normen-Reihe DIN 18040, zumindest in Teilen, gesetzlich vorgeschrieben. Darauf gehe ich in der nächsten Episode speziell zu dieser Normenreihe noch einmal ein.
Unabhängig davon könnte ich als Bauherr aber die Einhaltung der DIN EN 17210 vorschreiben, indem ich das entsprechend im Bau- oder Planungsvertrag festlege. Auch wenn sie nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, müsste sie dann entsprechend der vertraglichen Festlegung eingehalten werden.
Nicht verpflichtend – Wozu dann das Ganze?
Selbst wenn eine Norm nicht verbindlich einzuhalten ist, macht es dennoch oft Sinn sich an die Regelungen zu halten. Im Streitfall, also zumeist in Haftungs- oder Mängelfragen, wird oft auf die in Normen festgeschriebenen Standards geschaut. Werden diese eingehalten, wird davon ausgegangen, dass ein Werk mängelfrei hergestellt wurde. Das ist die sogenannte Vermutungswirkung, geht aber jetzt schon sehr tief in das Thema Recht rein.
Kurz gesagt: wer sich freiwillig an die Norm hält, ist tendenziell eher auf der sicheren Seite.
Wer meint, es besser als die Norm zu wissen, muss das im Zweifels- oder Streitfall belegen können.
Und was steht nun drin in den Normen?
Genau dafür ist der No(rm)vember da! Was genau in den verschiedenen Normen zum Barrierefreien Bauen steht, erfährst Du in den nächsten Wochen hier.
Für den umfänglichen Einstieg in die neue EU-Norm DIN EN 17210 gibt es voraussichtlich am 30. November ein Online-Seminar. Wenn das für Dich interessant ist, trage Dich direkt hier in die Warteliste ein. So erfährst Du als allererstes, wenn der Termin und weitere Details feststehen.