Aktuell wird wohl keine App so sehr diskutiert wie Clubhouse. Offenbar hat die Mischung aus Radio, Live-Podcast und digitaler Bar den Nerv der Pandemie-Zeit getroffen. Vermehrt wurde ich schon gefragt, wie es denn dort mit der Barrierefreiheit aussieht.
Und was soll ich sagen? Nicht so gut.
Das Clubhouse als Haus für einen Club
Am einfachsten ist es vielleicht, wenn wir uns Clubhouse als real gebautes Haus vorstellen. Da sich die App nach Angaben der Entwickelnden in der Beta-Phase befindet, ist das Haus also noch nicht zu einhundert Prozent fertig, aber dennoch schon für Besuchende geöffnet. Die naheliegende Analogie zu Flughäfen oder Schlössern in Berlin erspare ich Dir an dieser Stelle 😉
In diesem Haus findet jetzt also eine richtig coole Einweihungsparty statt. Wirklich viel braucht man dafür ja nicht. Die Hauptsache ist, dass das Wichtigste da ist. In diesem Fall also eine Menge Räume zum Quatschen.
Damit die Party im neuen Haus auch richtig hip wird, darf nicht einfach jede:r kommen. Eintritt erhält man nur mit einer Einladung. Und wirklich rein kommt man nur, wenn man die richtigen Markenklamotten mit dem Apfel-Logo trägt.
Der Kreis der Party-Besuchenden wird also bewusst exklusiv gehalten. Das Abgrenzen (und Abheben?) von anderen stellt natürlich eine Barriere dar und widerspricht dem Inklusionsgedanken komplett. Da die Veranstaltenden, also die Menschen hinter Clubhouse, für ihre Party aber ihre eigenen Regeln festsetzen, ist das hinzunehmen.
Barrierefreiheit und Inklusion im Clubhouse?
Inklusion hört aber nicht auf, nur weil nicht alle zur Party im neuen Haus kommen dürfen. Die Besuchenden haben zwar Gemeinsamkeiten, wie zum Beispiel die Markenklamotten mit dem Apfel, aber sind dennoch unterschiedlich. An dieser Stelle setzt die Barrierefreiheit ein, denn Barrierefreiheit schafft Raum für Inklusion.
Der Eingang ins neu gebaute Clubhouse ist standardmäßig einigermaßen barrierefrei. Es gibt einen ebenerdigen Zugang, der Eingang ist gut auffindbar und nichts steht dem Betreten des Hauses im Weg. Sobald man aber im Inneren angekommen ist, wird es problematisch.
Die Arbeitenden haben nämlich kreuz und quer gebaut. Hier und da mal eine Stufe mitten im Raum, ab und zu Löcher im Boden und komplett ohne Hinweisschilder zu Toiletten, verschiedenen Räumen oder Ausgängen. Warum auch? Es ist ja noch nicht fertig und das kann man später immer noch anpassen! So sagen es zumindest die Verantwortlichen.
Als Bauingenieur sage ich: ja, das stimmt. Ihr könnt später, kurz vor der Eröffnung oder gar im laufenden Betrieb, ganze Bereiche des Hauses wieder abreißen oder neu bauen. Das kostet dann aber neben Zeit und Geld vor allem auch viele Nerven von alle Beteiligten.
Barrieren vor allem für blinde und gehörlose Menschen
Die Barrieren in der App äußern sich zunächst bei der kompletten Untauglichkeit für gehörlose Menschen. Es gibt keine Möglichkeit, das gesprochene Wort in Bild oder Schrift zu übertragen. Technischen Möglichkeiten für eine automatisierte Transkription existieren bereits. Sie sind sicherlich nicht perfekt, aber besser als nichts. Clubhouse ist eine Audio-basierte Plattform, aber warum soll es dort aufhören? Instagram ist stark visuell geprägt und dennoch auch für blinde Menschen potentiell zugänglich.
Umgekehrt könnte man meinen, dass eine App mit dem Fokus auf die menschliche Stimme insbesondere für blinde Menschen ideal ist. Zum jetzigen Zeitpunkt ist das allerdings nicht der Fall. Fehlende Alternativtexte und eine komplizierte Navigation sind enorme Barrieren, die eine Nutzung unnötig erschweren.
Podcasts sind ebenfalls ausschließlich auf Audio ausgerichtet. Sie können dennoch barrierefrei sein, indem man zum Beispiel Transkripte hinterlegt. Hör und schau Dir doch mal an, wie ich das beim barrierefrei·Podcast mache.
Warum nicht von Anfang an richtig bauen?
Warum nicht von Anfang an auf Barrieren verzichten, statt sie später mühevoll abbauen zu müssen? Denn an dieser Stelle treffen sich reale und digitale Bauprojekte: was einmal gebaut oder programmiert wurde, kann später natürlich angepasst werden. Effizienter und günstiger ist aber stets das korrekte, barrierefreie Bauen von Beginn an.
Wer also argumentiert, man müsse nachsichtig mit dieser App sein, weil sie ja noch neu ist, zementiert damit nur eines: das immer noch bestehende Denken, dass Barrierefreiheit eine Zusatzoption, ein Luxus oder ein nice-to-have ist. Diese Fehlannahme wirft Inklusion als gesamtgesellschaftliche Aufgabe regelmäßig um Jahre zurück.
Eine Barriere, die einmal errichtet wurde, bleibt. Zumindest für eine lange Zeit. Sei es aus Trotz, aus Bequemlichkeit oder „aus Gründen“ – der Abbau von Barrieren kostet Ressourcen, die an anderer Stelle viel dringender benötigt werden.
Das Potenzial für barrierefreien Austausch ist da.
Nach der nun laufenden Einweihungsparty, also der Beta-Phase der App, wird das Haus sicher weitergebaut. Es bleibt zu hoffen, dass bestehende Barrieren dabei abgebaut werden. Die Zugangsmöglichkeit möchte ich hier einmal ausklammern. Wäre dann eine Plattform für barrierefreien Austausch nicht erstrebenswert?
So wie ich Clubhouse im Moment als Außenstehender wahrnehme, liegt der Reiz insbesondere in der Niedrigschwelligkeit. Man kommt miteinander ins Gespräch, kann Leuten bei unter Umständen zwanglosen Unterhaltungen zuhören und einander so in Zeiten physischer Distanz nah sein und teilhaben. Und darum geht es bei Inklusion: Teilhabe. Für alle Menschen.
Anlass für diesen Beitrag ist eine Diskussion, die nach meinem Kommentar zu Clubhouse im Newsletter vom 25. Januar entstand. Falls Du dich auch für den barrierefrei·Newsletter anmelden möchtest, kannst Du das ganz unkompliziert hier tun: